Dein Baby weint und schreit in der Trage? Wenig bekannte Ursachen & Praxistipps

Ratgeber MaMo

Klar, Babys sind Traglinge.

Dennoch ist eine Babytrage keine Garantie für ein zufriedenes Baby.

Die Basics – Hunger, Frieren, Schmerzen, Unwohlsein, Müdigkeit/Überreizung

Hier ist nicht die Frage, ob dein Baby getragen werden will oder nicht, sondern ob es ein anderes Bedürfnis gibt, das stärker ist. Und das sich mit dem Tragen gerade nicht vereinbaren lässt.

Klingt einfach, aber als neue Familie gilt es, die Signale des Babys erstmal lesen zu lernen. So gleicht die Suche nach der Ursache des Schreiens – mit oder ohne Tragehilfe – manchmal der nach der Nadel im Heuhaufen.

Wichtig: denke daran, dass Babys dich nicht manipulieren können. Auch wenn es diese Meinung noch gibt, ist sie wissenschaftlich widerlegt. Du darfst und solltest deshalb nach Bedarf füttern, stillen und direkt auf dein Baby reagieren. Aus denselben Gründen kannst du dein Kind auch nicht mit zu viel Nähe verwöhnen.

Ein Wachstumsschub kann außerdem mit sogenanntem Clusterfeeding einhergehen. Du denkst „Er/sie muß doch noch satt sein“, aber es kann sein, daß dein Baby gerade sehr viel öfter Nahrung und vielleicht auch Nähe braucht, als vorher. Das ist normal. Hier hilft Geduld und geschicktes Timing.

Unpassende Kleidung kann manchmal auch ein Grund für Beschwerden sein. Zu enge Windeln oder Strampler mit Bein, die beim Tragen oft zu kurz sind und an den Füsschen spannen gilt es zu vermeiden. Stulpen sind eine schöne, variable Alternative.

Deinem Baby kann zu kalt sein oder auch zu warm. Es sollte sich warm anfühlen, aber auch nicht unter zu vielen Kleidungsschichten schwitzen. Schwitzen an sich ist kein Problem und hat den Sinn, dass man sich durch die sogenannte Verdunstungskälte abkühlt (detaillierte Infos zum Tragen im Sommer). Im Sommer kann der Schweiss verdunsten, unter dicker Kleidung in den kühleren Monaten nicht. Dann also Jacke, bzw. Jackenerweiterung einfach zwischendurch ein Stück aufmachen (mehr Infos zum Tragen im Winter)

Langsam Einbinden

Wenn dein Baby beim Hineinnehmen in die Babytrage unruhig wird, mach gerne eine Pause und halte es – mit nur locker eingestellter Trage – erstmal weiter zusätzlich auf dem Arm. Zieh die Trage erst mit der Zeit, vielleicht schrittweise fest. Manchmal können sich Babys so besser an die vielleicht ganz neue Situation gewöhnen. Manchmal ist auch die Region der Halswirbelsäule empfindlich - weiter unten bei "Blockaden & Co" gehen wir näher auf mögliche Gründe ein.

Schnell Einbinden

Klingt erstmal widersprüchlich, aber häufig hilft den Kleinen auch schnelles Einbinden und wenn sie gleich Bewegung erfahren. Also geh gerne zügig los oder versuch dich in einer hoch-runter-Bewegung. Seitliches Wiegen reicht oft nicht aus. Babys kennen das auf & ab aus dem Bauch der Mutter von jedem ihrer Schritte.

Tipp: probier es aus, alles ist erlaubt :) Wenn sich dein Baby schrittweise erst an die Trage gewöhnen muss, darf es vorübergehend auch mal suboptimal in der Trage sitzen.

Dein Baby muss mal?

Timing kann auch beim Thema „Pipi & Kaka“ Einfluss haben. Die Windel ist eine Erfindung der Neuzeit. Babys ist angeboren zu zeigen, wenn sie mal müssen. So haben die Eltern seit jeher eine Chance, es abzuhalten. Das nennt sich „Ausscheidungskommunikation“ (oder wie Britta von Dachskind es schöner nennt: „Töpfchen-Teamwork“) und übrigens eine Alternative oder Ergänzung zu Windeln, die viele Vorteile mit sich bringt – schau bei Dachskind vorbei.

Tipp: dein Baby ist unruhig und scheint nicht in die Trage zu wollen? Warte erst ein bisschen, wechsel dann ggf. die Windel und probier es später nochmal.

Du siehst also: es kann sich erstmal lohnen, zu checken, ob bei deinem Baby körperlich alles gut ist.

Wenn alles zu passen scheint, hol die neue Babytrage raus und starte einen neuen Versuch.

Nicht die richtige Tragehilfe oder nicht passend eingestellt

Häufig bekommen Eltern das Tragesystem von Verwandten oder Freunden. Was bei anderen Eltern-Kind-Teams gut gepasst hat, passt nicht automatisch auch euch.

Oft werden Tragehilfen mit Neugeborenen verwendet, die nur theoretisch den Kleinen passen, praktisch aber zu gross, also zu locker sind. Das kann Protest bei deinem Baby auslösen, denn es fühlt sich nicht sicher gehalten. Hinzu kommt, dass du vielleicht nicht genau weisst, worauf du achten solltest und wie du die Babytrage einstellen kannst.

Wichtig zu wissen: die Gewichtsangaben bei Babytragen sagen nur aus, daß die Trage im Zuge der Materialprüfung dieses Normgewicht gehalten und ohne Defekt überstanden hat. Nach DIN EN 13209-2 z.B. ist der Prüfkörper 3,5 kg schwer – und da Neugeborene in etwa soviel wiegen, wird die Trage als „ab Geburt“ beworben. Dabei fordern und sichern die DIN Normen nicht die eigentlich wichtigen Kriterien für sicheres Babytragen. Welche das sind, kannst du hier nachlesen (zum Beitrag "Tragen ab Geburt").

Tipp: lasst euch zur Geburt eine Trageberatung statt den 10. Body schenken, oder gönnt euch selber eine Beratung.

Die MaMo Babytrage ist eine gute Option, weil sie durch den wechselbaren Sitzbereich für das Baby in der Regel direkt gut passt, ohne dass du viel beachten oder einstellen musst.

Doch was, wenn all diese Punkte nicht der Grund sind?

Babys haben feine Antennen – über Ko-Regulation

Dein Baby lernt durch dich, sich selbst zu regulieren. Reagierst du angemessen auf Situationen, wird es mit der Zeit deine Reaktionen lernen und übernehmen. Im besten Fall bietest du ihm einen ruhigen, sicheren Hafen, wenn nicht gerade wirklich Grund zu Ärger oder Aufregung besteht.

Denn dein Baby nimmt deine Emotionen wahr, spürt damit auch deinen Stress oder deine Unsicherheit und kann das mit Unruhe oder Weinen spiegeln. Vielleicht zweifelst du beim Ausprobieren der Babytrage innerlich. Du hast Sorge, alles richtig zu machen und fragst dich womöglich, ob du deinem Baby schadest. Wenn es dann unruhig wird, kann ein kleiner Teufelskreis zwischen euch entstehen.

Tipp: versuche, deinen Fokus nicht zu stark auf dein Baby zu legen und richte ihn versuchsweise bewusst auf etwas anderes, z.B. auf deine Füße und deine Gehbewegeung.

Sieh dir in Ruhe die Anleitungen oder Videos an, damit du dich sicher in der Anwendung fühlst. Mach im Idealfall eine Trageberatung. Übe wenn möglich mit einer Puppe und nimm dein Baby in die Trage, wenn du ausreichend schnell und sicher bist.

Nicht wenige Eltern sind bei den ersten Versuchen so aufgeregt, dass der Puls steigt und auch mal das Atmen vergessen wird.

Tipp: versuch bewusst, tief und langsam zu atmen. Es aktiviert den Parasympathikus und verringert Herzfrequenz und Blutdruck. Atmen (nicht hecheln) hilft darum auch unter der Geburt und ist in vielen Kulturen eine einfache und sehr effektive Entspannungstechnik.

Die Tragehilfe bringt dein Baby nah an dein Herz und ist viel mehr als nur ein Transportmittel, denn sie verbindet euch auch emotional. Ihr seid näher zusammen und in engerem Austausch, als es mit dem Kinderwagen der Fall ist.

Wochenbettdepression

Die größte emotionale Belastung der Bezugsperson ist die Depression. Etwa 10 bis 15% der Mütter erleben eine Wochenbettdepression.

Mit einer postpartalen Depression kann das Tragen unerträglich sein. Die Bedürfnisse des Baby so nah und direkt zu spüren bei eigener emotionalen Erschöpfung kann eine zusätzliche Belastung sein.

Frag dich, ob du wirklich selber tragen willst, oder es tust, weil du meinst, dass es von dir erwartet wird. Babys sind gute Detektoren und reagieren auf deine innere Verfassung.

Tipp: wenn du über mehrere Wochen hinweg in einem emotionalen Loch steckst, lass dich beraten und versuch, dir Hilfe zu holen: über die "Frühen Hilfen", emotionelle Erste Hilfe, Krankenkasse, Hebamme, Hausarzt/Hausärztin u.a. .

Tipp: frühes Rückentragen kann für euch ein Game Changer sein. Das geht ab Geburt, wenn du einige Punkte beachtest und von einer Fachperson (Trageberater:in) angeleitet wirst.

 

Die etwas komplizierteren körperlichen Bedürfnisse – Blockaden & Co

Was, wenn dein Baby auf die Babytrage immer mit Weinen reagiert? Vielleicht sogar immer zum selben Zeitpunkt, an der selben Stelle beim Hineinsetzen.

Dann fallen schnell die Begriffe „Blockaden“ oder „KISS“.

Hier wird es komplexer.

Blockaden oder KISS sind teilweise umstrittene, schulmedizinisch nicht anerkannte Diagnosen. Was nicht bedeutet, dass es sie nicht gibt. Manchen Babys hilft eine Behandlung beim Manualtherapeuten oder der Manualtherapeutin (Chiropraktik/Osteopathie), anderen nicht.

Denkbar sind Einwirkungen während der Geburt, die zu Blockaden / Blockierungen und Asymmetrie im Kopfgelenk führen können. Wie Dr. Luthin, Manualmediziner mit Schwerpunkt Osteopathie bei Kindern, in einem Vortrag auf dem Frühgeborenensymposium schildert, ist zu 99,9% die Halswirbelsäule die betroffene Schlüsselregion, die zu Beschwerden und Symptomen wie vermehrtem Schreien, Schieflagen, Stillproblemen u.ä. führt.

Tipp: der einfache Seitkipp-Test zeigt dir, ob dein Baby eine Asymmetrie hat (Video). Dies ist nur ein Anhaltspunkt und kann ein Anlass für ärztliche Abklärung sein.

Der Geburtsvorgang ist mit deutlicher Krafteinwirkung verbunden und es ist plausibel, das er damit körperliche Spuren hinterlassen kann.

Aber auch seelische:

Das Körpergedächtnis – was ist das?

Noch nicht sonderlich verbreitet ist der Begriff des Körpergedächtnisses.

Einig ist man sich, dass die ersten Monate und Jahre für Babys und Kinder wichtig und prägend sind. Aber warum sollten diese Erfahrungen erst und plötzlich mit der Geburt beginnen?

Schon vor und bei der Geburt kann das Baby fundamentale Erfahrungen machen, die auf einer tiefen körperlichen Ebene das Nervensystem formen.

Eine Sturzgeburt z.B. ist für ein Neugeborenes ein überwältigend schneller Übergang in die Aussenwelt. Auch später können dann schnelle Änderungen der Umgebung beim Baby oder Kind Angst triggern. Es hat auf eine ganz grundlegende, vollkommen unbewusste Weise erfahren, plötzliche Ereignisse mit Angst und Unsicherheit zu verbinden.

Eine Geburt in Beckenendlage bedeutet für das Baby einen schmerzhaften, "umgedrehten" Durchgang durch den Geburtskanal als die erste negative Erfahrung überhaupt im Leben. So kann eine unbewusste Überzeugung entstehen, dass die Welt und Neues gefährlich sind.

Tipp: sieh dir unsere Insta-Lives mit Johanna Otte an (Weinen & Babytragen 2, Weinen & Babytragen 1) . Sie erklärt, welche Reaktionen bei Babys auf ganz frühe Erfahrungen hinweisen können und wie du darauf eingehen kannst. Johannas Inhalte sind generell super-interessant, wertvoll und unbedingt lesens- und sehenswert - babypraxis-otte.de

Entwicklungsphase um den 4. Monat herum

Im Vergleich zu den o.g. Aspekten, die mit früh- oder vorgeburtlichen Erlebnissen deines Babys und sogar deinen eigenen Erlebnissen und Prägungen zusammenhängen, hier nochmal ein etwas einfacherer möglicher Grund für Unruhe bei etwas älteren Kindern:

Dein Baby durchläuft eine komplexe und rasante Entwicklung. Nervenzellen im Gehirn vernetzen sich. Um so mehr, je mehr entwicklungsgemäße Reize es erfährt.

Speziell um den 4. Monat herum reift bei deinem Baby die Fähigkeit zur Rotationsbewegung des Oberkörpers. In dem Zuge kann es sein, dass es sich beim Tragen wegdrückt, um dieses neue Bewegungsmuster einzuüben. Manche Eltern berichten dann von einem „Tragestreik“.

Tipp: tatsächlich kann es auch dann hilfreich und sinnvoll sein, das Baby seitlich auf der Hüfte zu tragen, oder idealerweise auf dem Rücken. Rückentragen verringert die Belastung für dich und die Bewegung in Gehrichtung bringt positive Entwicklungsreize für dein Baby.

Nach und nach mit Zeit

Wir hoffen, dir ein paar gute Impulse gegeben zu haben und wünschen euch schöne Tragemomente, die sich vielleicht schrittweise und mit der Zeit entwickeln.